Knochenarbeiten der frühen Germanen
  Germanisches Knochenhandwerk
 
Der Handwerker


(Foto: Werner Pollak)


Oberdorla Mai 2011




Am Keltentor am Dünsberg

Germanisches Knochenhandwerk


Knochen- , Geweih- und Hornbearbeitung bei den frühen Germanen der Vorrömischen Eisenzeit und der Römischen Kaiserzeit

Viele Gegenstände des alltäglichen Bedarfs wurden in der Spätlatenezeit und in der Älteren Römischen Kaiserzeit aus Knochen, Geweih oder Horn hergestellt.
Diese Materialien sind nach entsprechenden Vorarbeiten recht leicht zu bearbeiten und relativ bruchsicher. Viele Gerätschaften, die heute aus Plastik gefertigt werden, sind häufig noch bis ins 20.Jahrhundert aus natürlichen Materialien hergestellt worden. Beispiele sind Kämme, Spielsteine oder auch Messergriffe. 




Museum Gordes (Südfrankreich): Gallischer doppelseitiger Kamm aus Geweih (3. Jh. v. Chr.)

Die Materialien lassen sich in folgende Gruppen einteilen:

Knochen: Diese fallen beim Schlachten von Tieren an. Knochen von Weidetieren (Pflanzenfressern) haben eine andere Struktur als solche von Fleisch- und Allesfressern. Deshalb werden sie bevorzugt verwendet. 

Geweih: Bei den Cerviden (z.B. Rothirsch, Elch oder Reh) bildet sich als Fortsatz des Stirnbeins jährlich ein Geweih. Als Rohmaterial, insbesondere für die Herstellung von ein- oder mehrlagigen Kämmen, bieten sich bevorzugt Abwurfstangen vom Rothirsch an. 

Horn: Hörner haben Rinder, Ziegen etc. Die Hornzapfen sitzen auf einem Knochen und können nach dem Abkochvorgang vom Knochen gelöst und gereinigt werden. Die Zurichtung zur Hornplatte ist nochmals sehr arbeitsaufwendig. Das Horn muss weichgekocht, zugeschnitten, gepresst und getrocknet werden. 




Museum Gordes (Südfrankreich): Doppelseitiger gallischer Hornkamm (3. Jh. v. Chr.)

Bereits im Neolithikum haben sich diffizile Fertigungstechniken entwickelt. Nachgewiesen sind beispielsweise Geschossspitzen, Angelhaken, Spinnwirtel und Stempel zur Verzierung von Tongefäßen. Weiterhin wurden Schmuckstücke und Amulette aus Knochen und Zähnen getragen. 
Mit dem Aufkommen von Geräten aus Bronze und später Eisen verliert die Verarbeitung von Knochen stark an Bedeutung. Dennoch finden sich in der Eisenzeit mehrere Siedlungen, in denen man kleine Lager mit Abwurfstangen und schädelechten Geweihen gefunden hat. Knochen dienten immer noch vor allem zur Herstellung von Schmucknadeln einschließlich der als Arbeitsgeräte nutzbaren Öhrnadeln, ferner die sogenannten Würfelstäbe, von Spitzen und Pfriemen (z.B. zum Körbeflechten) sowie von Schäftungen für eiserne Gerätschaften.
Die Verarbeitung von Knochen, Geweih und Horn unterscheidet sich vor allem durch die unterschiedlichen Härten des Ausgangsmaterials. Knochen und Geweih wurden vermutlich in aufgeweichtem Zustand mit schneidenden Werkzeugen bearbeitet. 




Spätlatenezeitlicher Kamm aus Elchgeweih

Meine eigene Erfahrung zeigt, dass das Einweichen von Geweih in kaltem Wasser nach 48 Stunden bereits gute Ergebnisse bringt. Kocht man das Geweih dann etwa noch eine halbe Stunde, kann man es mit dem Messer oder dem Dechsel wie Holz schnitzen. 
Aus Arbeitsspuren an gefundenem Material wissen wir um die Verwendung von Messern, Beilen bzw. Dechseln und feinen Sägen zur Herausarbeitung der jeweils gewünschten Rohform. Feinarbeiten lassen sich dann beispielsweise mit Raspeln, Feilen, feinen Sandsteinen und getrockneten Schachtelhalmen (für den letzten Schliff) ausführen. 
Verzierungen brachte man vor allem in Form von Ritzungen, Kerben und eingetieften konzentrischen Kreisen an, die zum Beispiel bei den Würfeln Gebrauchswert besitzen und daher die Bezeichnung "Würfelaugen" erhielten. Sie werden mit entsprechenden Werkzeugen eingeritzt oder eingedreht (z.B. mit einer Dreule). Für viele Arbeiten braucht man eine Einspannvorrichtung. Hier ist man auf Improvisation angewiesen, da in den archäologischen Befunden und Funden keine eindeutigen Hinweise auf solche Werkzeuge vorliegen.




Weimar Museumsveranstaltung Mai 2014

Kämme stellen während der Römischen Kaiserzeit ein verhältnismäßig häufige Grabbeigabe sowohl in Frauen- als auch in Männergräbern dar. Für die letzten Jahrzehnte der Vorrömischen Eisenzeit und die Ältere Kaiserzeit sind kleine Einlagenkämme, meist aus Hirschgeweih, typisch. Diese einteiligen Einlagenkämme besitzen fast ausschließlich eine halbkreisförmige Griffplatte, die verziert, aber häufig auch unverziert sein kann. Diese Kämme sind immer verhältnismäßig klein. Ihre Länge bewegt sich zwischen 3 cm und 8 cm, ihre Breite zwischen 3 cm und 6 cm. Meist zwei Horizontalfurchen direkt über den Kammzinken oder eingedrehte Kreisaugen charakterisieren die Verzierungen der Griffplatte. Diese Kammform scheint aus dem ostgermanischen Raum zu stammen, sie strahlt jedoch sehr stark in das elbgermanische Gebiet aus und kommt besonders häufig im mittleren Elbegebiet vor. Kämme aus Hirschgeweih mit durchbrochener Griffplatte haben ihre Vorbilder offensichtlich in spätlatenezeitlichen Bronzekämmen. Auch diese Form der Beinkämme ist in den Jahrzehnten um Christi Geburt sehr häufig im gesamten elbgermanischen Raum. 




Kerstin trägt einen Dreilagen-Geweihkamm am Gürtel. Im Übrigen wird Bettina von 
Gela und Kerstin frisiert


Die Würfel, die man aus den Gräbern kennt, sind von länglicher Form und tragen sehr unterschiedliche Augenzahlen. Verwandte Formen sind die keltischen Stabwürfel, die man zum Beispiel in Stradonice und Manching ausgegraben hat und die in das 1. Jh. v. Chr. gehören. 

Die Rohstoffe Knochen, Geweih und Horn gehören zur männlichen Tätigkeitssphäre wie Viehhaltung und Jagd. Übereinstimmend mit ethnographischen Befunden darf man vermuten, dass auch deren Bearbeitung in den Aufgabenbereich der Männer fiel. 
Einfache Nadeln, Spitzen, Pfrieme etc. stammen vermutlich aus dem Hauswerk. Erst die Herstellung komplizierterer Gegenstände drängte zu einer Spezialistenproduktion. Hinweise auf deren Herausbildung geben einige Knochennadeln, deren reich profilierte Köpfe für die Herstellung auf der Drechselbank sprechen.
Auch die Herstellung feiner Dreilagenkämme führte zum Aussondern eines Handwerks, was seit der zweiten Hälfte des 2. Jh. n.Chr. nachweisbar ist. Der Fundplatz Feddersen Wierde zum Beispiel gibt Hinweise auf Werkplätze zur Knochen-, Geweih- und Hornverarbeitung seit dem 1. Jh. n.Chr., verstärkt seit dem 2.-3. Jh. n.Chr.




Einfacher Stammeskrieger der Chasuarier im Wald bei Kalkriese  (Foto: 
Werner Pollak)


 
Dreilagenkämme des 3. Jhs. nach Chr. aus Rothirschgeweih



Am Opfermoor in Oberdorla 2008
(Foto: Markus Gruner)




Oppidum Dünsberg Juni 2013




Dreilagenkamm




Opfermoor Oberdorla (Foto: Konrad Goettig)




Dreilagenkämmchen aus Heddernheim/Hessen 3. Jh. n. Chr.
7 cm lang, 4,5 cm hoch, 1 cm dick, Rothirschgeweih, Eisennieten, unverziert





Hornkamm aus dem Siedlungsfund Feddersen Wierde B1 - B2



















 
 
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